Anfangs rannten die Leute ohne einen vorgegebenen Zweck hinter den Bällen her. Darauf kamen die Studenten auf die Idee, Gruppen von jeweils vier Personen in Linie hinter dem Ball herlaufen zu lassen und dabei die Sporthalle zu umrunden, so wie es Bahnradfahrer tun. Der Versuch war zwar interessant, aber es fehlte der Wettkampfgedanke. Das brachte die Studenten auf die Idee, einen zweiten Ball mit einer zweiten Gruppe ins Spiel zu bringen. Diese zwei Gruppen lieferten sich nun ein Verfolgungsrennen, so wie beim Bahnradsport. Dabei stellten sie fest, dass diese Art von Wettkampf, bei dem jede Gruppe für sich unterwegs war, für die Zuschauer wenig attraktiv war. So brachten sie eine dritte Gruppe ins Spiel und statt zu rennen und dabei den Ball vorwärts zu stoßen, sollte nur noch ein Ball von drei Spielern in einer Ausfallschritt-Position gehalten und von dem vierten Spieler geschlagen werden. Eine der beiden anderen Mannschaften musste den Ball fangen und ihrerseits den Ball schlagen. Indem diese Sequenz fortlaufend wiederholt wurde, bekam das Spiel eine interessante Basis für die Weiterentwicklung. Allerdings war die breite Bevölkerung nicht sehr fitnessorientiert. Somit musste auf breiter Basis mit vielen weiteren Experimenten ein zündender Spielgedanke entwickelt werden.
Nach vielen Wochen des Nachdenkens und Ideensammelns, hatte Mario Demers im Oktober 1986 die Idee, aus der bisherigen ‚Beschäftigung‘ mit dem großen Ball ein Mannschaftsspiel zu machen. Er behielt das Konzept mit den drei Mannschaften à vier Spieler bei, legte nun aber den Schwerpunkt von der Fitness auf den Teamgeist, womit Männer und Frauen oder Erwachsene und Kinder miteinander spielen konnten. Dies war auch der Übergang vom Kin-Ball-Sport zum Kin-Ball-Spiel.
Um diese neue Spielidee umsetzen zu können, musste das Spielmaterial verändert werden – Riesenbälle sollten in dem Spiel zum Einsatz kommen. Um den Aufwand zu finanzieren wurde 1987 die Firma OMNIKIN Inc.® gegründet. Während M. Demers die Leitung dieser Kapitalgesellschaft übernahm, war es Aufgabe seiner Studienkollegen, das Kin-Ball-Spiel für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dafür brachten sie die Sportlehrer von Quebecs Universitäten zusammen. Es gelang, das neue Mannschaftsspiel als eine außerschulische Nachmittagsaktivität einzurichten. Damit konnte Kin-Ball® das sehr begrenzte Angebot an regulären Sportstunden der Schulen ergänzen.
Das heutige Kin-Ball-Spiel entstand nicht über Nacht. Viele Sportlehrkräfte kooperierten, um das Potenzial dieses einzigartigen Balls herauszufinden. Ursprünglich wurde der Ball ja zu verschiedenen relativ eigenständigen Zwecken genutzt: für die Entwicklung der Geschicklichkeit, der konditionellen Fähigkeiten und der Kooperation. Im August 1987 bekam das Sportspiel Kin-Ball® ein festgeschriebenes Regelwerk. Seitdem steht Kin-Ball® für die neue Form eines Spiels, das als sozial-integrativer Schul- und Freizeitsport aber auch als leistungsorientierter Wettkampfsport betrieben werden kann und aus einer Vielzahl von konditions- und koordinationsfördernden Elementen besteht. Zudem duldet Kin-Ball® keine physische oder verbale Gewalt und der Schiedsrichter ist in jeder Hinsicht Herr des Spiels. Kein Spieler darf versuchen, in irgendeiner Form den Schiedsrichter zu beeinflussen oder gar einzuschüchtern. Ebenso werden alle Spieler als gleichwertig betrachtet, d.h. es gibt keine Stars und keine schlechten Spieler; also auch keine Diskriminierung. Deshalb ist Kin-Ball® ein hervorragendes Modell der Sporterziehung, indem es auf umfassende Weise den Respekt gegenüber Mitspielern, Gegenspielern und den Offiziellen einfordert. Unterstützt wird dies durch die ‚Charta zu sportlichem Verhalten‘, die Teil des Regelwerkes ist, das wiederum Verstöße gegen die Charta streng ahndet.
Die Zahl der Schulen, die Kin-Ball® außerhalb des regulären Sportunterrichts betrieben, wuchs im Gebiet von Quebec City, Montreal, Maurice und Saguenay von 10 im Jahr 1987 auf 129 im September 1991 an.
1992 machte die Entwicklung von Kin-Ball® mit der Gründung des Kin-Ball-Verbandes der Provinz Quebec einen weiteren wichtigen Schritt. Dieser Verband machte es sich zur Aufgabe, die Entwicklung des Kin-Ball-Spiels in der gesamten Provinz Quebec voranzutreiben. Er bot die notwendige Unterstützung für regionale Einrichtungen an, deren Aufgabe es war, ein Kin-Ball-Training außerhalb des regulären Sportunterrichts zu betreiben. Darüber hinaus ermöglichte der Verband eine Ausbildung für Personen, die sich direkt oder indirekt für den Kin-Ball-Sport engagieren wollten.
Im Januar 1993 wurde der Kin-Ball-Verband der Provinz Quebec offiziell durch das Ministerium für Freizeit und Sport (MLCP) anerkannt. Dies war zwar ein weiterer wichtiger Entwicklungsschritt, allerdings machte das MLCP deutlich, dass vor 1996 keine finanziellen Zuwendungen zu erwarten wären. Bis dahin musste sich der Verband durch den Verkauf von Spielmaterial und durch die Werbung von Mitgliedern selbst finanzieren.
Im Verlauf des Jahres 2000 wurden der Kanadische Kin-Ball-Verband und der Internationale Kin-Ball-Verband (IKBF) gegründet mit dem Auftrag, den Kin-Ball-Sport in ganz Kanada und auch international zu verbreiten.
Kin-Ball® wurde zum ersten Mal in Deutschland, anlässlich des Deutschen Turnfestes (2004) vorgestellt. Andrea Pielen, eine Mitarbeiterin des Saarländischen Turnerbundes (STB), brachte das Spiel aus Kanada mit. Schon 2005 nahm eine saarländische Delegation an den Weltmeisterschaften in Belgien teil. 2008 fand sogar die Europameisterschaft in Saarlouis statt.
Nachdem erst mehrere Jahre später weitere Vereine außerhalb des Saarlandes entstanden, wurde im November 2019 im Rahmen des 10. Kin-Ball Welt Cups im französischen Les Ponts-de-Cé (Angers), ein eigenständiger Deutscher Kin-Ball Verband (DKBV) gegründet. Bis zu diesem Zeitpunkt stand der Vorläufer des DKBV unter dem Dach des STB. Mit einem bundesweiten Engagement in Schulen und Vereinen verbreitet seitdem der DKBV die Idee des Kin-Ball® Sports in Deutschland.
Geschichte der Welt-Cup-Turniere im Kin-Ball-Spiel
2001 1. World-Cup in Kanada mit 4 Nationen: Kanada, USA, Japan und Belgien
2002 2. World-Cup in Kanada mit 4 Nationen: Kanada, Japan, Belgien, Frankreich
2005 3. World-Cup in Belgien mit 6 Nationen: Kanada, Japan, Belgien, Frankreich, Spanien, Deutschland
2007 4. World-Cup in Spanien mit 7 Nationen: Kanada, Japan, Belgien, Frankreich, Spanien, Deutschland, Dänemark
2009 5. World-Cup in Kanada mit 8 Nationen: Kanada, Japan, Belgien, Frankreich, Spanien, Deutschland, Dänemark, Schweiz
2011 6. World-Cup in Frankreich (Nantes) mit 8 Nationen: Kanada, Japan, Belgien, Frankreich, Spanien, Deutschland, Dänemark, Schweiz
2013 7. World-Cup in Belgien mit 11 Nationen: Kanada, Japan, Belgien, Frankreich, Spanien, Deutschland, Dänemark, Schweiz, Tschechien, Südkorea, China
2015 8. World-Cup in Spanien mit 12 Nationen: darunter die Neulinge Österreich und Slowakei. Erstmals gewinnt nicht Kanada beide Turniere, sondern Japan wird Sieger bei den Männern
2017 9. World-Cup in Japan (Tokyo) mit 12 Nationen: darunter die Neulinge Hong Kong und Singapur
2019 10. World-Cup in Frankreich (Les Ponts-de-Cé) mit 11 Nationen: Kanada, Japan, Belgien, Frankreich, Spanien, Deutschland, Schweiz, Tschechien, Südkorea, China, Hong Kong